Seminar zum Staatskirchenrecht, Kirchenrecht und zur kirchlichen Rechtsgeschichte
unter besonderer Berücksichtigung des Rechts der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und des europäischen Religionsverfassungsrechts
I. Thementeil: Beiträge zur kirchlichen Rechtsgeschichte
1. Bischöfliche Gewalt im evangelischen Kirchenrecht
Die Bischöfe der „Alten Kirche“ hatten sich im 16. Jahrhundert weitgehend der Reformation verschlossen.
Trotzdem ist es teilweise zum Versuch der Installation evangelischer Bischöfe gekommen (etwa Amtseinführung des Nikolaus von Amsdorf als weltweit ersten evangelischen Bischofs 1542 in Naumburg durch Martin Luther). Welche Vorstellungen verbanden Kurfürsten und Reformatoren mit einem solchen evangelischen Bischofsamt?
Statt dessen bildete sich das landesherrliche Kirchenregiment heraus. Doch welche (theologischen und juristischen) Vorstellungen verbanden sich mit der ordnenden Funktion des Landesherren? Übte er „bischöfliche Gewalt“ aus? Sollte er „Ersatzbischof“ sein? Was bedeuten die juristischen Begriffe „ius in sacra“ und „ius circa sacra“, die im Staatskirchenrecht bis 1918 prägend waren (und bspw. in der Verfassungsurkunde für das Königreich Sachsen vom 4. September 1831 in Bezug auf die Kirchen verwendet werden).
Mit diesen Fragen sowie mit den Theorien des Episkopalismus, des Territorialismus und des Kollegialismus soll sich das Referat auseinander setzen. Es soll dann untersucht werden, welche Funktion den nach 1919 installierten „Landesbischöfen“ zufallen sollte. Ihre theologische und ihre Rechtsstellung soll vom Bischofsamt in der katholischen Kirche, aber auch zu anderen Amtsträgerin in der evangelischen Kirche (nämlich zu Superintendenten, Regionalbischöfen) abgegrenzt werden.
Auf das mit der Reformation neu geschaffene Amt der Superintendenten ist ausführlich einzugehen. Auch ein Vergleich zwischen evangelischem Bischofsverständnis und katholischen Bischofsverständnis sollte vorgenommen werden.
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
2. Kirche und Kolonialismus
Gegenstand aktueller öffentlicher und wissenschaftlicher Debatten ist die Bewertung des Kolonialismus – insbesondere des deutschen Kolonialismus – im 19. und 20. Jahrhundert. Diese Diskussion ist allerdings oftmals interessengeleitet und häufig nicht ideologiefrei.
In den „Schutzgebieten“ bzw. „Kolonien“ entfalteten auch deutsche Missionswerke ihre Tätigkeit (entsandten Missionare, gründeten Missionstationen und Schulen usw.). Diese Tätigkeit, die Rolle der Kirchen und die Rolle der Missionsgesellschaften (sowie ihre rechtliche Verfasstheit, ihre Zuordnung zur verfassten Kirche) sind zu untersuchen. Dabei kann die Untersuchung beispielhaft auf bestimmte Gebiete oder auch auf bestimmte Missionsgesellschaften („Missionswerke“) – etwa die Leipziger Mission – beschränkt werden.
Soweit christliche Missionsgesellschaften selbst die Gründung von Kolonien angeregt oder unterstützt haben, soll das untersucht werden (so sollen angeblich Missionsgesellschaften auch das Deutsche Reich um militärischen Schutz gebeten haben). Soweit die Tätigkeit der Missionsgesellschaften hingegen keinen Bezug zu politischen Kolonisationsbestrebungen hatte oder sich auch unabhängig von politischen Kolonisationsbestrebungen parallel entwickelte, soll auch das dargestellt werden. Die Rechtsstellung der Missionare und Missionsstationen auch in der Kolonie, das rechtliche Verhältnis zu (bereits bestandenen oder auch neu entstehenden Ortskirchen) soll untersucht werden. Das heutige Rechtsverhältnis der noch bestehenden Missionswerke sowie der Kirchen zu den „Partnerkirchen“ im Ausland soll kurz angerissen werden.
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
3. Die „Kirchgemeinde“ als Erscheinung der neueren Rechtsgeschichte
In aktuellen Diskussionen über die Rolle von Kirchgemeinden, über Strukturreformen und die Wahrnehmung kirchlicher Funktionen wird fast immer übersehen, dass es ein körperschaftlich verfasstes Kirchenwesen jahrhundertelang nicht gab. Über einen Zeitraum von mehr als tausend Jahren hat sich christlicher Glaube ohne „Kirchgemeinden“ im heutigen Verständnis entfaltet. Das örtliche Kirchenwesen war vor allem anstaltlich verfasst. Das Referat soll der Frage nachgehen, welche Ursachen es hat, dass sich schon in der alten Kirche bis zur Reformation der Gedanke einer körperschaftlich verfassten Gemeinde nicht durchsetzen konnte.
Theologische Einflüsse in der Reformation (bspw. Martin Luther, daß eine christliche Versammlung oder Gemeinde Recht und Macht habe, alle Lehre zu urteilen und Lehrer zu berufen, ein- und abzusetzen: Grund und Ursache aus der Schrift. 1523) und reformatorische Vorstellungen sollen benannt und es soll dargestellt werden, warum gleichwohl sich ein körperschaftlich bzw. presbyterial verfasstes Kirchenwesen (das heute vorherrschend ist) zunächst nicht durchsetzen konnten. Die Entwicklung bis zu heutigen Kirchgemeinden und die Einführung von Kirchgemeinden im 19. Jahrhundert (in Sachsen: Kirchenvorstands- und Synodalordnung für die evangelisch-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen, vom 30. März 1868, SächsGVBl. 1868, S. 204 (Nr. 48) sind darzustellen.
Unterschiedliche Entwicklungen in reformierten, lutherischen und in der katholischen Kirche sollen rechtsvergleichend herangezogen werden.
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
4. Vom „Corpus juris ecclesiastici Saxonici“, über „Codex Seydewitz“ und den “Böhme“ zur „Rechtssammlung“ – die Gesetzessammlungen der sächsischen Landeskirche, ein Beitrag zur kirchlichen Rechtsquellenlehre
Eine wichtige Aufgabe der Kirchenrechtswissenschaft ist das Sammeln von Rechtstexten. Gesetzessammlungen sind deshalb ein wichtiges Handwerkszeug, um sich das geltenden Recht zu erschließen. In den vergangenen Jahrhunderten waren unterschiedliche solcher Sammlungen im Gebrauch. Der „Corpus juris ecclesiastici Saxonici“, der sog. „Codex Seydewitz“ und der Anfang des 20. Jahrhunderts herausgegebene “Böhme“ waren nur einige, aber besondere wichtige Gesetzessammlungen. Zu erwähnen sind noch der „Corpus Augusteus“, der von Eduard Schreyer 1864 und 1852 herausgegebenen „Codex des im Königreiche Sachsen geltenden Kirchen- und Schul-Rechts mit Einschluss des Eherechts und des Rechtes der frommen und milden Stiftungen“, aber auch die hektografisch vervielfältigten Umdrucke zu DDR-Zeiten („Wichtige kirchliche und staatliche Bestimmungen für die Geistlichen und die anderen Mitarbeiter im Bereich der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens“). Die gängigen Rechtssammlungen sollen dargestellt und untersucht werden (Nach welchem Regelungsprinzip sind sie aufgebaut? Welche Rechtsnatur hatten die Sammlungen? Welche Formen und Arten von Rechtsquellen gab es und welche wurden in solche Gesetzessammlungen aufgenommen?).
Folgende Bearbeitungsansätze sind möglich: Entweder es wird ein Überblick und ein Vergleich der klassischen Rechtssammlungen vorgenommen oder die Bearbeitung konzentriert sich auf eine konkrete Rechtssammlung (und erläutert dann auch etwas zur Entstehung, zum Verfasser usw.)
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
5. Die verfasste Kirche – Zur Entstehung der Verfassung der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens und späteren Kirchenverfassungsreformen
Die Trennung von Staat und Kirche durch Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung in Jahr 1919 setzte in allen Landeskirchen Verfassungsdiskussionen in Gang. In der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsens (damals: des Freistaats Sachsen) wurde 1922 erstmals eine Kirchenverfassung verabschiedet (Verfassung vom 29.05.1922). Diese wurde nach dem Krieg verändert, insbesondere vor dem Hintergrund des Kirchenkampfs (Verfassung vom 13.12.1950). Sie blieb lange unverändert und wurde erst 2006 überarbeitet. Die historischen Wurzeln der Kirchenverfassung, die wichtigen Streitpunkte (Landesbischof, Verhältnis zu den Leitungsorganen) sowie die aktuellen Änderungen und Auswirkungen sollen vorgestellt werden.
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
6. National-sozialistische Ideologie im heutigen evangelischen Kirchenrecht?
Die wissenschaftliche Untersuchung, Bewertung und Beurteilung der „Kirche im Dritten Reich“ ist auch eine immerwährende Herausforderung für die kirchliche Rechtsgeschichte. Die öffentliche und wissenschaftliche Debatte wird zum Teil um die Rolle einzelner Personen geführt (etwa im Zusammenhang mit Straßenumbenennungen), aber auch um den Einfluss des Nationalsozialismus auf das Kirchenrecht.
Bestimmte Rechtsinstitute oder juristische Begriffe im heutigen Kirchenrecht (sowie die hinter diesen stehenden theologischen Vorstellungen) sind im evangelischen Kirchenrecht während des Nationalsozialismus entstanden („Diakonie als Lebens- und Wesensäußerung der Kirche“; „christliche Dienstgemeinschaft“ usw.).
Im Referat soll solchen Rechtsinstituten bzw. juristischen Begriffen nachgespürt werden. Dabei soll untersucht werden, ob diesen Begriffen seinerzeit bestimmte ideologische Vorstellungen (aus dem nationalsozialistischen Rechtsdenken) zugrunde lag, ob solche Rechtsinstitute eher zum Schutz kirchlicher Interessen entstanden sind oder ob der zeitliche Zusammenhang mit der Zeit des Nationalsozialismus eher zufällig ist. Insbesondere auf den aktuellen Forschungsstand zum Begriff und dem Rechtsinstitut der „Dienstgemeinschaft“ ist näher einzugehen.
Im Referat soll auch die Methode der Rechtsbereinigung nach 1945 (ggf. beispielhaft an einzelnen Landeskirchen) dargestellt werden.
Zu untersuchen ist, ob bei bestimmten Begriffen ein Bedeutungs- und Verständniswandel stattgefunden hat. Dieser Bedeutungs- und Verständniswandel ist darzustellen.
Referenten: Teilnehmer aller Studiengänge ab 2. Semester
II. Thementeil: Beiträge zum Religionsverfassungs- und Staatskirchenrecht
7. Der Umbau der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin - das Spannungsverhältnis zwischen Religionsfreiheit und Urheberrecht
Die St. Hedwigs-Kathedrale in Berlin ist die Kathedralkirche des katholischen Erzbistums Berlin. Der unter Denkmalschutz stehende Bau war 1773 errichtet und 1943 durch eine Fliegerbombe weitgehend zerstört worden. Ab 1952 hatte der Wiederaufbau begonnen. Dabei waren an der Innenausgestaltung ab 1960 bis 1963 verschiedene Künstler und Architekten beteiligt. Zur Zeit ist die Renovierung und auch die gravierende Umgestaltung der Kathedrale vorgesehen. Eine in den sechziger Jahren eingebrachte zentrale, rund 8 m breite Bodenöffnung mit Treppe in die Unterkirche soll vollständig geschlossen werden, was ermöglichen soll, künftig den Altar mehr in die Mitte und damit näher an die Gottesdienstgemeinde zu rücken.
Gegen diesen Umbau hatten Künstler und Architekt bzw. deren Rechtsnachfolger gerichtliche Schritte in Anspruch genommen, nämlich zum einen war versucht worden, die denkmalschutzrechtliche Genehmigung für diesen Umbau anzufechten. Zum anderen war vor dem Landgericht Berlin (Az. 15 O 389/18) ein Urheberrechtsstreit geführt worden.
Der Rechtsstreit steht exemplarisch für eine Vielzahl vergleichbarer Streitigkeiten um spätere Änderungen religiöser Räume. Besonders in starkem Maße ist die katholische Kirche betroffen, bei der es infolge des zweiten vatikanischen Konzils zu einer Änderung der liturgischen Abläufe und insbesondere der Zelebrationsrichtung des zelebrierenden Priesters gekommen ist: Die Heilige Messe wird seitdem nicht mehr an einem Hochaltar zelebriert, sodass der Priester bei der Zelebration der Gemeinde den Rücken kehrt. Vielmehr ist es so, dass der zentrale Altartisch so positioniert ist, dass der Priester mit Blickrichtung zur Gemeinde zelebriert. Die Änderung der Liturgie hat vielfach zu dem Bedürfnis geführt, Veränderungen von Altären vorzunehmen oder aber auch in künstlerisch gestalteten Kirchenräumen Veränderungen vorzunehmen, um in der Mitte des Gottesdienstraumes einen weiteren Altar anzuordnen.
Das Referat soll die verfassungsrechtlichen Grundlagen der unterschiedlichen Grundrechte der Urheber (beispielsweise Eigentumsgarantie) und der jeweiligen Religionsgemeinschaft untersuchen, die Notwendigkeit der praktischen Konkordanz herausstellen. Ferner soll anhand des aktuellen Urheberrechts dargestellt werden, wie das einfache Gesetz die Berücksichtigung kirchlicher/religiöser Belange sicherstellt und ermöglicht. Hierzu soll eine Übersicht über den aktuellen Stand der Rechtsprechung (vor allem der ordentlichen Gerichte) zu entsprechenden Streitigkeiten um die Umgestaltung religiöser Räume dargeboten werden.
(Hinweis: Einen weiteren ähnlich aufsehenerregenden Fall hatte das LG Hannover, Urteil vom 14. Dezember 2020 – 18 O 74/19 –, juris, zu entscheiden. Hier ging es ebenfalls um die Frage, ob durch den Einbau der von Bundeskanzler Schröder gestifteten „Refomationsfenster“ des Künstlers Markus Lüpertz in die Marktkirche Hannover das Urheberrecht des Architekten Dieter Oesterlen verletzt sein kann).
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
8. Religiöse Hörfunk- und Fernsehangebote - Zur verfassungsrechtlichen, staatskirchenrechtlichen und medienrechtlichen Beurteilung des Angebots und der Zulassung religiöser Hörfunk- und Rundfunkanbieter
Im dualen Rundfunksystem in der Bundesrepublik Deutschland bieten auch religiöse Anbieter Hörfunkprogramme (beispielsweise Radio horeb, ERF Plus) oder Fernsehprogramme (K-TV, EWTN, Bibel-TV) an.
Die verfassungsrechtliche Lage ist darzustellen. Zu untersuchen ist, ob und in welchem Umfang die Tätigkeit religiöser Programme von der Religionsfreiheit gedeckt wird oder nicht. Die Abgrenzung zur Rundfunkfreiheit ist vorzunehmen. Ob und in welchem Umfang sich ein verfassungsrechtlicher Status aus der Rundfunkfreiheit ergeben kann, ist zu untersuchen.
Beispielhaft kann auch an einzelnen Sendern untersucht und dargestellt werden, ob und in welchem Umfang eine sogenannte „Zuordnung zur Kirche“ oder zu einer Religionsgemeinschaft stattfindet und die Tätigkeit auch der kirchlichen Selbstverwaltungsgarantie unterfallen kann.
Die Zulassung der Sender, die Aufsicht dieser Sender, Anforderungen an die inhaltliche Gestaltung sind anhand der einfach gesetzlichen, rundfunkrechtlichen bzw. medienrechtlichen Regelungen zu untersuchen und darzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass durch „Staatsvertrag zur Modernisierung der Medienordnung in Deutschland“ vom April 2020 der frühere Rundfunkstaatsvertrag in einen neuen „Medienstaatsvertrag“ implementiert wurde.
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
9. Hassprediger im Internet - Zur verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Einordnung religiös motivierter Internetangebote
Inhalt des Referats soll sein, die unterschiedlichen Erscheinungsformen religiös motivierter Internetpräsentationen von Einzelnen, Gruppen, religiösen Vereinigungen in den unterschiedlichen Erscheinungsformen medialer Präsentation (bei Facebook, Twitter, Instagram, YouTube, über eigene vorgehaltene Internetseiten auf eigener Internetdomain, auf sonstigen Internetplattformen) zu untersuchen und darzustellen.
Herauszuarbeiten ist einfachgesetzlich, welchen rechtlichen Regelungsrahmen die betreffenden Erscheinungsformen unterfallen, ob sie etwa als Rundfunk, Telemedien und sonstige Erscheinungsformen einzuordnen sind.
Darzustellen ist, ob für solche Angebote im Internet, insbesondere wenn sie von Anbietern mit Sitz im Ausland angeboten werden, eine irgendgeartete Aufsicht (Medienaufsicht) besteht.
Zu untersuchen ist, ob die Zuständigkeit hier nach dem Sitz, nach dem Inhalt des Angebots, nach Sitz des Anbieters, nach Empfangsmöglichkeit oder ähnlichen Kriterien erfolgt.
Ferner ist darzulegen, ob und in welchem Umfang bestimmte Internetangebote der Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit oder anderen Grundrechten unterfallen und welche verfassungsrechtlichen Grenzen bestehen, um religiöse Inhalte und insbesondere als „Hassrede“ oder „Hasspredigt“ zu bezeichnende Inhalte zu regulieren, einzudämmen oder zu unterbinden.
Referenten: Studierende der Rechtswissenschaften ab 4. Semester;
10. Die Eignung als Kooperationspartner für den bekenntnisgebundenen islamischen Religionsunterricht
Der im Grundgesetz und in den Landesverfassungen vorgesehene Religionsunterricht wird nach bisheriger, überkommener Auffassung als bekenntnisgebundener bzw. bekenntnisorientierter Religionsunterricht verstanden. Der Staat könne aufgrund seiner religiös-weltanschaulichen Neutralität keine (alleinige) inhaltliche Gestaltung vornehmen, sondern bedürfe hier der Mitwirkung der jeweiligen Religionsgemeinschaft als Kooperationspartner. Diese Kooperation beziehe sich sowohl auf die Ausgestaltung der Lehrpläne als auch die besondere Zulassung geeigneter Lehrkräfte für den Religionsunterricht.
Im Rahmen des Referats sind die Grundzüge der verfassungsrechtlichen Gewährleistung des Religionsunterrichts darzustellen. Es ist näher auf die Frage einzugehen, ob es sich hier um Grundrechtsgewährleistungen der Eltern, der Schüler und betreffender Religionsgemeinschaften handelt. Auf Art und Umfang der Mitwirkung, die staatliche Aufsicht ist näher einzugehen. Insbesondere ist darauf einzugehen, welche Anforderungen bestehen, um als „Gesprächs- und Kooperationspartner“ für bekenntnisorientierten/ bekenntnisgebundenen Religionsunterricht in Betracht zu kommen. Auf die rechtliche Form dieser Anerkennung durch die jeweiligen Kultusverwaltung ist näher einzugehen.
Aktuelle tagespolitische Streitfragen sind zu erörtern und rechtlich zu reflektieren. So könnte beispielsweise auf den Streit zwischen dem DITIB Landesverband Hessen und dem Land Hessen eingegangen werden über die Frage, ob aufgrund einer tatsächlichen oder vermeintlichen Nähe zur Religionsbehörde des türkischen Staates Eignungszweifel bestehen (vergleiche BVerfG, 2. Kammer des Ersten Senats, Beschluss vom 19.01.2021 – 1 BvR 2671/20
). Diesbezüglich ist insbesondere darauf einzugehen, ob und gegebenenfalls warum eine Nähe zu einer staatlichen Religionsbehörde eines anderen Staates Hinderungsgrund für eine Kooperation sein kann (Stichwort „Unabhängigkeit als Eignungskriterium“).
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
11. Die Berücksichtigung kirchlicher Belange bei der Bedarfsplanung im Kindertagesstättenrecht und bei der Vergabe von Plätzen in Kindertageseinrichtungen
Betreuungsplätze in Kindertageseinrichtungen (Krippenplätze, Kindergartenplätze, Hortplätze) sind trotz entsprechender Betreuungsansprüche im SGB VIII und im jeweiligendes Landeskindertagesstättengesetz rar und „umkämpft“. 3 Problemkreise führen immer wieder zu Streit und Auseinandersetzungen:
Der Bedarf an solchen Betreuungsplätzen wird zum einen auf überörtlicher Ebene (Jugendhilfeplanung des Landkreises sowie Bedarfsplanung nach Kita-Reccht, vgl. § 8 SächsKitaG) als auch auf kommunaler Ebene (durch die Städte und Gemeinden) geplant. Diese Planungsinstrumente sind im Referat zu untersuchen und darzustellen. Maßstäbe dieser Planung und dabei zu berücksichtigende Ziele (bspw. Angebotsvielfalt, Trägerpluralität, Wunsch- und Wahlrecht der Eltern) sind am Beispiel des sächsischen Kindertagesstättenrecht darzustellen. Die Berücksichtigung kirchlicher und religiöser Belange sowie kirchlicher und religiöser Träger bei der Planung ist darzustellen (Gibt es hier Erfordernisse aus dem GG, der SächsVerf, dem SGB VIII, dem SächsKitaG oder aus Staatskirchenverträgen?) Können kirchliche bzw. religiöse Träger durchsetzen, auch als Träger Berücksichtigung zu finden? Haben Sie Anspruch auf ein bestimmtes „Kontingent“ an Betreuungsplätzen?
In den neuen Bundesländern (insbesondere in Sachsen) stehen Kindertagesstätten in vielen Kommunen (ausschließlich) im Eigentum der Städte und Gemeinden. Lediglich ihr Betrieb wird durch die Städte und Gemeinden an nichtgemeindliche Träger im Rahmen von „Trägerverträgen“ zwischen Kommune und Träger vergeben. Häufig findet vor der Vergabe ein mehr oder weniger durchsichtiges Vergabe- oder Interessenbekundungsverfahren statt. Zu untersuchen ist im Referat, ob und auf welche Weise religiöse und kirchliche Träger zu beteiligen sind (vgl. als Einstieg OVG Lüneburg, Beschl. v. 29.10.2018 – 10 ME 363/18 - Dienstleistungskonzession für Bau und Betrieb einer Kita). Zu prüfen ist ferner, ob gegen die „Vergabeentscheidung“ eine Rechtsschutzmöglichkeit besteht.
In „Betriebskostenübernahmeverträgen“ (§ 17 Abs. 2 S. 2 SächsKitaG) behalten sich Städte und Gemeinden umfassende Mitspracherechte bei der Vergabe von Kindertagesstättenplätzen vor. In den vom Sächsischen Städte- und Gemeindetag herausgegeben Mustervertrag heißt es bspw.:
„§ 2 Aufnahme von Kindern
(1) Der Träger verpflichtet sich, vorrangig Kinder aus der Kommune im Rahmen der Festlegungen nach § 1 Absatz 2 in die Kindertageseinrichtung aufzunehmen.
(2) Kinder, die ihren Wohnsitz nicht im Gemeindegebiet haben, können im Rahmen der verfügbaren Plätze in die Kindertageseinrichtung aufgenommen werden. Der Träger meldet der Kommune den von den Erziehungsberechtigten angemeldeten Betreuungsbedarf und informiert gleichzeitig, ob zu dem gewünschten Aufnahmetermin eine Betreuung in der Einrichtung möglich ist. Die Aufnahme erfolgt in Abstimmung zwischen Kommune und dem freien Träger. Bei Beendigung der Betreuung ist die Kommune zu informieren.“
Diese Regelung führt vielfach dazu, dass Kirchgemeinden, deren Kirchgemeindegebiet sich häufig auf mehrere Kommunen erstreckt, als Träger von Kindertagesstätten eigene Gemeindeglieder bzw. Kinder eigener Gemeindeglieder nicht aufnehmen können, wenn Wohnsitz und Sitz des Kindergartens nicht identisch sind. Die Rechtmäßigkeit, insbesondere Verfassungsmäßigkeit, dieser Praxis ist zu untersuchen (zum Einstieg vgl. VG Hannover, Beschluss vom 17. Juli 2020 – 3 B 2818/20 –, juris).
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
12. Die Ablehnung von Unterrichts- oder Lehrbuchinhalten aus religiösen Gründen
Immer wieder geraten Unterrichts- oder Lehrbuchinhalt in die Kritik von Eltern, die die vermittelten Bildungs- und Erziehungsinhalte im Widerspruch zu eigenen religiösen Auffassungen sehen.
Streit entsteht etwa darüber, dass der religiöse-weltanschauliche Staat insbesondere naturwissenschaftliche Unterrichtsinhalte distanziert und ohne Gottesbezug darstellt. Hier wird von Eltern beanstandet, dass gefährde die elterliche Erziehungsziel, die auf eine „Ehrfurcht vor Gott“ ausgerichtet seien.
Streit entsteht über die Frage, ob und wie der im Biologie-Unterricht die Evolutionstheorie behandelt und dargestellt wird.
Streit entsteht, wenn im Deutsch-Unterricht Literatur verwendet wird, bei der Zauberei und schwarze Magie als normal dargestellt werden (Stichworte: „Krabbat“; Harry Potter).
Häufig entsteht Streit aber auch über die Frage, wie Themen der Sexualerziehung behandelt werden Kritikpunkte religiöser Eltern sind beispielsweise: Behandlung sexueller Themen zu früh (Stichwort „Frühsexualisierung“); Darstellung von Geschlechtspraktiken, die Koran oder Bibel ablehnen als „normal“ (Stichwort: Analverkehr, homosexuelle Praktiken, außerehelicher Geschlechtsverkehr), Ideologisierung der Kinder durch „Genderideologie“.
Eltern versuchen – auch mit gerichtlicher Hilfe – Einfluss auf die Lehrplangestaltung zu nehmen und auf die Zulassung von Lehrbüchern. Ferner versuchen Eltern, ihre Erziehungsziele dann durch „homeschooling“ oder teilweise Unterrichtsbefreiung durchzusetzen.
Der Konflikt (und die praktische Konkordanz) zwischen elterlichem Erziehungsrecht und staatlicher Verantwortung für das Schulwesen sind darzustellen. Darzustellen ist auch, wie die „religiöse Erziehung“ geschützt wird (nur Elternrecht? Religionsfreiheit?)
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 2. Semester / Theologiestudierende ab 6. Semester
13. Die Wirkung von Kirchengesetzen (kirchlicher Normen) im staatlichen Zivilrecht – Kirchengesetze als Verbotsgesetze, Schutzgesetze sowie zur Geltung kirchlicher Schriftform- und Genehmigungserfordernisse
Nach bisherigem Verständnis gelten die durch Kirchengesetz vorgeschriebenen Vertretungsregelungen, Schriftformerfordernisse, Genehmigungserfordernisse auch in der weltlichen Rechtssphäre, also im staatlichen Zivilrecht und sind auch vom staatlichen Gericht zu beachten.
Andererseits nimmt das Bundesarbeitsgericht an, die kirchengesetzlichen Vorgaben könnten eine Anwendung der einschlägigen (kirchenrechtlich aber zwingenden) Arbeitsrechtsregelungen nicht erzwingen, da die Kirchen nicht die Rechtsmacht hätten, eine normative Wirkung dieser Regelungen im privaten Arbeitsverhältnis anzuordnen (vgl. BAG, Urteil vom 24. Mai 2018 – 6 AZR 308/17 –, BAGE 163, 56-71). Das wirft die dogmatische Frage nach dem Geltungsgrund und der Wirksamkeit kirchengesetzlicher Regelungen auf.
Im Referat soll diesen Fragen nachgegangen werden.
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 2. Semester / Studierende der Theologie
14. Nutzung kommunaler Räume durch Religionsgemeinschaften
Kommunale Räume (Stadthallen, Mehrzweckhallen, Turnhallen, Aulen, Mensen, Schulungsräume, Theaterräume, Freilichtbühnen usw.) stehen gelegentlich auch nicht kommunalen Zwecken zur Verfügung. Kann der kommunale Träger religiöse und weltanschauliche Nutzungsinteressenten ausschließen oder zulassen? Unter welchen Voraussetzungen kann dies geschehen? Kann es u.U. sogar einen Zugangsanspruch von Kirchen und Religionsgemeinschaften geben und welche Voraussetzungen hat er? Bedarf es in solchen Fällen förmlicher Regelungen (durch Satzung oder durch einfachen Beschluss eines Kreistages, Gemeinde- oder Stadtrates?) Welche Anforderungen sind dann zu stellen?
Das Referat soll diesen Fragen nachgehen. Dabei ist u.a. auf die Entscheidung des Sächsischen Oberverwaltungsgericht, Urteil vom 14. Oktober 2020 – 4 C 11/18 –, juris, einzugehen.
Referenten: Studierende der Rechtswissenschaften ab 4. Semester
15. Die „Gebetskerze im Haftraum“ – Religiöse Betätigung im Strafvollzug
Immer wieder kommt es zum Streit, ob Gefangene im Strafvollzug Gebetskerzen verwenden können (vgl. hierzu ausführlich OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06. Oktober 2020 – 1 Ws 191 + 291/19 (Vollz) –, juris). Diese Frage entscheidet oft ein Rückgriff auf das Grundrecht der Religionsfreiheit und eine verfassungskonforme Anwendung der Strafvollzugsgesetzes (früher des Bundes; jetzt der Länder). In den Strafvollzugsgesetzen findet sich einfachgesetzlich häufig folgende Regelung: „Die Gefangenen dürfen grundlegende religiöse Schriften und in angemessenem Umfang Gegenstände des religiösen Gebrauchs besitzen.“ (vgl. § 50 SächsStVollzG).
Hier stellt sich die Frage, ob eine solche Norm verfassungsrechtlichen Maßstäben standhält. Darf der religiös-weltanschaulich neutrale Staat beurteilen, ob eine religiöse Schrift „grundlegend“ ist? Was rechtfertigt die Einschränkung der religiösen Lektüre aus „Grundlegendes“?
Im Referat soll diesen Fragen nachgegangen werden. Untersucht werden soll darüber hinaus, wie die „relgiöse Grundversorgung“ von Gefangenen im Strafvollzug sichergestellt ist (in Sachsen: Teil 12 Religionsausübung, des SächsStVollzG, §§ 70 – 72 SächsStVollzG). Auf die Gefängnisseelsorge, Gottesdienste usw. ist einzugehen.
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester / Theologiestudierende ab 6. Semester
16. Sexueller Missbrauch und sexuelle Übergriffigkeit in der Kirche als Rechtsproblem
Unter der Überschrift „sexueller Missbrauch“ in Kirchen und Religionsgemeinschaften (es betrifft vor allem die Katholische Kirche, die Evangelische Kirche und einige Freikirchen) läuft nunmehr schon seit fast 20 Jahren eine Debatte zu einer Vielzahl von Erscheinungsformen übergriffigen Verhaltens durch Hauptamtliche (Pfarrer, Priester, Jugendwarte) und Ehrenamtliche (Jugendleiter). In fast allen Kirchen sind „Aufarbeitungsprozesse“ im Gang, bei denen die Erscheinungsformen der Vergangenheit über „Missbrauchsgutachen“ aufgeklärt werden sollen. Der staatliche Gesetzgeber hat durch Schutzbestimmungen sowie durch Verschärfung des Strafrechts reagiert. Die Kirchen selbst haben im eigenen Kirchenrecht Änderungen vorgenommen.
Ziel des Referates ist es zum einen, die unterschiedlichen Erscheinungsformen sexueller Übergriffigkeit im kirchlichen Raum darzustellen sowie zu systematisieren und dabei aufzuzeigen, welche dieser Erscheinungsformen unter welchen Voraussetzungen strafrechtlich relevant sind. Die betreffenden Straftatbestände sind darzustellen.
Darzustellen ist ferner, welche Schutzbestimmungen zum Schutz vor sexueller Übergriffigkeit sonst im staatlichen Recht bestehen. Und wie die die staatliche Überwachung (etwa im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe) kirchlicher Einrichtungen und kirchlicher Träger ausgestaltet ist. Die Vorschriften sind vor dem Hintergrund der Religionsfreiheit und des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts verfassungsrechtlich zu reflektieren (Darf der Staat den Einsatz bestimmter Haupt- oder Ehrenamtlicher unterbinden, die strafrechtlich relevant oder strafrechtlich nicht relevant in Erscheinung getreten sind oder gegen die ein bloßer Verdacht artikuliert wurde?). Bestimmte Mittel zur Bewältigung des Problems (etwa die Einführung einer Jugendleiter-Card) sind (auch im Hinblick auf die Wirksamkeit) kritisch zu hinterfragen.
Ziel des Referates ist auch, die Bewältigung der Problematik im Kirchenrecht zu reflektieren. Dies kann ggf. beispielhaft am Kirchenrecht der Evangelischen Kirche (EKD-Ebene, Ebene der Landeskirche) oder am Katholischen Kirchenrecht (Regelungen der Weltkirche; Regelungen im Geltungsbereich der DBK, Regelungen in der Ortskirche
) geschehen. Auch hier sind die Regelungen ggf. kritisch zu reflektieren.
Fakultativ kann ggf. auch noch auf das (zivilrechtliche) Haftungssystem bei Fällen sexueller Übergriffigkeit eingegangen werden (Gibt es Haftungstatbestände? Wer haftet? Welche Verjährungsprobleme ergeben sich?).
Das Referat hat diesen Fragen nachzugehen.
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
17. Religiös-weltanschauliche Neutralität, Parität und die Besetzung öffentlicher Gremien
Nicht selten haben Kirchen Besetzungsrechte oder Vorschlagsrechte für öffentliche Gremien.
Streit entzündete sich hierüber beispielweise bei der Zusammensetzung der Härtefallkommission im Freistaat Thüringen (vgl. Thüringer Verfassungsgerichtshof, Urteil vom 16. Dezember 2020 – 14/18 –, juris). Härtefallkommissionen sind im Asyl- und Ausländerrecht gemäß § 23a AufenthG Gremien, die zugunsten vollziehbar ausreisepflichtiger Ausländer Härtefallersuchen stellen können. Sie werden durch Rechtsverordnung der Landesregierung eingerichtet.
Der konkrete Fall gibt Anlass, die Reichweite und Grenzen religiös-weltanschaulicher Neutralität sowie des Gleichheitsgrundsatzes in seiner religionsverfassungsrechtlichen Ausprägung als „Parität“ zu untersuchen.
Darf der Staat überhaupt die Besetzung durch Vertreter von Kirchen- und Religionsgemeinschaften überhaupt in öffentliche Gremien vorsehen? Darf sich der Staat bei der Besetzung solcher Gremien auf christliche Kirchen beschränken oder müssen auch andere Religionsgemeinschaften Berücksichtigung finden? Darf der Staat eine Auswahl nach bestimmten Kriterien vornehmen (Mitgliederzahl, Bestandsdauer, öffentlicher Korporationsstatus u.ä.)?
Diesen Fragen ist im Referat nachzugehen.
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 4. Semester
18. Gottesdienstverbote, Gesangsverbote bei religiösen Veranstaltungen, staatliche Anordnung zum Tragen von Masken in Gottesdiensten – Religionsausübung in Corona-Zeiten
Gestützt auf das Infektionsschutzgesetz wurden seit Frühjahr 2020 immer wieder Beschränkungen der Religionsausübung vorgenommen. Die Palette der in den Ländern (meist durch sog. Corona-Schutzverordnungen) getroffenen Maßnahmen reicht von generellen Gottesdienstverboten, über Teilnehmerbeschränkungen, Gesangsverboten, Maskenpflichten.
Im Referat sind zunächst die infektionsrechtlichen Rechtsgrundlagen darzustellen (Einführung in das Infektionsschutzrecht). Dann sind die unterschiedlichen Maßnahmen darzustellen (das kann ggf. exemplarisch an einem Bundesland und der Zeitabfolge der geltenden Regelungen aufgezeigt werden).
Schließlich ist die Verfassungsmäßigkeit der Maßnahmen, im Hinblick auf die Einschränkungen der Glaubensfreiheit und des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu untersuchen. Auf die Frage, ob bestimmte Maßnahmen durch den Gesetzgeber selbst beschlossen werden müssen (Stichwort: Wesentlichkeit) , ist einzugehen.
Es ist zu untersuchen, inwieweit dem Gesetzgeber oder der Verwaltung Prognose- und Beurteilungsspielräume einzuräumen sind. Zu untersuchen ist, ob etwa geläufige Argumentationsmuster bei Risikoabschätzungen (Rechtsprechung zum Atomrecht, zum Gentechnikrecht) auf das Infektionsrecht übertragbar sind.
Zum Einstieg und zur kritischen Auseinandersetzung (BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. April 2020 – 1 BvQ 28/20 –, juris; BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 10. April 2020 – 1 BvQ 31/20 –, juris).
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 2. Semester / Theologiestudierende ab 6. Semester
19. Folgerungen und praktische Umsetzung der Fälle „Egenberger“ und „Chefarzt“ in Kirche, Diakonie und Caritas
Die Fälle „Egenberger“ (EuGH, Urteil v. 17.4.2018 – C-414/16 – Egenberger; Generalanwalt Tanchev, Schlussanträge vom 9.11.2017 EuGH – C-414/16 – Egenberger; nachfolgend BAG, Urteil vom 25.10.2018 – 8 AZR 501/14; sowie Vorlagebeschluss BAG v. 17.3.2016 – 8 AZR 501/14 (A)) und „Chefarzt“ (EuGH, Urteil v. 11.9.2018 – C-68/17 – IR/JQ; Generalanwalt Wathelet, Schlussanträge 31.5.2018 – C-68/17 – IR/JQ; nachfolgend BAG, Urteil v. 20.2.2019 – 2 AZR 746/14; ferner Vorlagebeschluss BAG 28.7.2016 – 2 AZR 746/14 (A)) haben zu einer nach wie vor anhaltenden Diskussion geführt.
Gegenstand und Schwerpunkt des Referats soll nicht diese Diskussion sein, sondern die praktische Umsetzung durch Kirchen und diakonische/ caritative Träger sowie die Untersuchung der seit 2019 ergangenen (auch unterinstanzlichen Rechtsprechung).
Die Anforderungen des EuGH und des BAG sind darzustellen. Es ist aufzuzeigen, was die Kirchen und kirchlichen Träger bei Stellenbeschreibung, Stellenausschreibung, Ladung zum Vorstellungsgespräch, Fragen an den Stellenbewerber eigentlich beachten müssten.
Es ist – ggf. beispielhaft am Recht der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens oder einer anderen gewählten Kirche – zu prüfen, wie diese Erfordernisse in den rechtlichen Regelungen umgesetzt sind (in den kirchlichen Mitarbeitergesetzen, in Beschlüssen der arbeitsrechtlichen Kommissionen usw.). Ggf. ist rechtstatsächlich (etwa anhand von Ausschreibungen im Amtsblatt der untersuchten Kirche oder durch Auswertung der regionalen Kirchenzeitungen) zu untersuchen, ob und wie diese Anpassung an die Rechtsprechung von EuGH und BAG erfolgt ist.
Ggf. sind Vorschläge zu erarbeiten, wie die Kirchen – auch zur Wahrung der eigenen Identität (Selbstverständnisses) und der eigenen Selbstverwaltung – ihr Kirchenrecht und ihre Personalpraxis anpassen müssten oder könnten (Wie kann ggf. erreicht werden, dass weiter „Kirchenzugehörigkeit“ gefordert werden kann?)
Referenten: Studierende Rechtswissenschaft ab 2. Semester / Theologiestudierende ab 6. Semester
20. Pluralität als Verfassungsprinzip – Zur Trägervielfalt bei der Wahrnehmung sozialer Aufgaben